Resolution der SPD-Fraktion

Seriöse Haushaltspolitik

27.01.2024 | Die Corona-Pandemie und deren Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt machten weltweit kraftvolle staatliche Reaktionen notwendig. In der gesamten Bundesrepublik wurden durch den Bund und die Länder umfassende Stützungsmaßnahmen ergriffen. Die Ausgabenermächtigungen im Land Berlin wurden im Planjahr 2020 mit Bundes- und im Wesentlichen kreditfinanzierten Landesmitteln um ca. zehn Milliarden Euro und damit um ca. ein Drittel von ca. 30 auf ca. 40 Milliarden Euro erhöht.

Auch die Folgejahre haben den Berliner Landeshaushalt herausgefordert. Der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg auf die Ukraine führte insbesondere im Energiesektor unter anderem zu erheblichen staatlichen Maßnahmen, Knappheit und Preisinstabilität. Die Bundesrepublik und auch Berlin begegneten der hohen Inflation von teilweise über 10 Prozent mit umfangreichen finanziellen Stützungsmaßnahmen.

Nach der jüngsten grundsätzlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes können diese kreditfinanzierten staatlichen Stützungsmaßnahmen nicht für andere Zwecke umgewidmet werden, so dass Kernaufgaben von Staatshaushalten außerhalb von ausnahmsweisen Haushaltsnotlagen einer Kreditfinanzierung grundsätzlich entzogen sind.

Die der Haushaltsplanaufstellung 2024/2025 im Frühjahr 2023 zugrunde gelegte Inflationsrate von ca. acht Prozent wird für die Jahre 2024 und 2025 nicht mehr erwartet. Die europäischen und deutschen Schätzungen rechnen für das Jahr 2024 und 2025 mit einer deutlichen Normalisierung in Richtung zwei Prozent.

Infolgedessen müssen die Staatshaushalte in Bund und Ländern grundsätzlich den Krisenverläufen und Inflationsverläufen angepasst und den Normalverläufen angenähert werden.

Die getroffene politische Entscheidung, in einem ersten Schritt die Staatsausgaben Berlins in einer faktischen Ausgaben-Nulllinie fortzuschreiben und damit nicht um gewöhnliche ca. drei Prozent zu erhöhen, war folgerichtig. Die zur Gegenfinanzierung gebildete pauschale Minderausgabe liegt allerdings oberhalb eines im normalen Haushaltsvollzug unproblematischen Umfangs von ein bis zwei Prozent. Die derzeit vom Finanzsenator in den Raum gestellte Auflösungsquote von pauschal rund sechs Prozent ist aus unserer Sicht jedoch nicht mehr als ein Rechenbeispiel. Die in Rede stehende Frist Februar 2024 ist sachlich unplausibel.

Grundvoraussetzung einer seriösen Befundung und politischen Entscheidung ist zunächst ein qualifizierter Jahresabschluss 2023, um alle Krisenförderkulissen und deren Effekte sowie die tatsächliche krisen- und inflationsbedingte Haushaltsbelastung des abgelaufenen Jahres 2023 bewerten und für die Folgejahre abschätzen zu können. Dieser konnte in der Vergangenheit immer im Januar vorgelegt werden. Dazu bietet darüber hinaus erst die für Mai erwartete neue Steuerschätzung für Bund und Länder eine seriöse Grundlage zur Überprüfung und Bewertung der prognostizierten Entwicklung der Inflation und der Staatseinnahmen für die Jahre 2024 und 2025.

Zu diesem Zeitpunkt wird zudem der Abschluss der parlamentarischen Bewertung zu den rechtlichen Möglichkeiten und gesetzlichen Voraussetzungen des von uns geplanten Sondervermögens „Klimaschutz, Resilienz und Transformation“ erwartet, auf die sich alle Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses verständigt haben.

Auf der Basis dieser validen Gesamteinschätzungen, qualifizierter Jahresabschluss 2023, Steuerschätzung 2024, Bewertung der rechtlichen Möglichkeiten eines Sondervermögens, ist der Senat veranlasst zu bewerten, ob und inwieweit die Bildung pauschaler Minderausgaben signifikant über dem Normalverlauf eines Haushaltsvollzuges liegen und ob und inwieweit für den Landeshaushalt über die Fortschreibung der vorsichtigen Ausgabenlinie hinaus weitere Konsolidierungsentscheidungen erforderlich sind.

Für uns ist klar, dass es keinen sozialen Kahlschlag geben darf. Zudem stehen wir zu unserem Ziel, Berlin deutlich vor 2045 klimaneutral zu machen.

Wir haben folgerichtig einen Prozess eingeleitet, der eine Konsolidierung im Wege politischer Entscheidungen ermöglicht und erwarten vom Senat und den Bezirksämtern, insbesondere den jeweiligen Finanzressorts, sich dieser besonderen Verantwortung zu stellen. Berlin hat einen vom Gesetzgeber beschlossenen Haushalt und gerade keine vorläufige Haushaltswirtschaft. Senat und Bezirke sind ermächtigt, den Haushalt zu vollziehen. Allerdings sind verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, die das oben beschriebene Haushaltsrisiko hinreichend abbilden.

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat – wie auch der Bund – alle Verpflichtungsermächtigen im Landeshaushalt und den Bezirkshaushalten gesperrt. Langfristige Bindungen und Vorbelastungen zukünftiger Haushalte müssen dem verfassungsrechtlichen Ausnahmecharakter entsprechen. Ferner wurden Senat und Bezirksämter von Gesetzes wegen angehalten, Fachstandards und Förderkulissen zu überprüfen und anzupassen sowie politischen Entscheidungen nachvollziehbare, evaluierte Bedarfsanalysen zu Grunde zu legen. Zu diesen Exekutiventscheidungen durch den Senator für Finanzen oder die Bezirksämter wurde von Gesetzes wegen ein enges Berichtswesen dem Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen gegenüber angeordnet, um Transparenz herzustellen und politische Debatten und Entscheidungen zu ermöglichen.

Die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus erwartet hinsichtlich etwaiger Konsolidierungsentscheidungen politische Priorisierungen. Hierbei sollen zum Beispiel bürgernahe Leistungen, insbesondere den sozialen Lebensstandard der Berlinerinnen und Berliner betreffend, gesichert werden. In Ansehung der besorgniserregenden Radikalisierungsentwicklungen im gesellschaftlichen Zusammenleben darf dabei die Fähigkeit zur Prävention nicht geschwächt werden. Der starke Staat muss in der Lage sein, zu agieren und zu reagieren. Wir streben an, unsere erfolgreiche Politik zu einer substanziellen Investitionsquote fortzusetzen. Gleichwohl müssen investive Maßnahmen priorisiert werden. Dabei haben laufende Großprojekte, wie zum Beispiel die erfolgreiche Schulbauoffensive, Vorrang. Im Übrigen sollte die Realisierbarkeit investiver Maßnahmen in zeitlicher Hinsicht und bezüglich der Größenordnung der Maßnahme ein wesentliches Kriterium sein. Seriöse Haushaltspolitik bedeutet in Anbetracht der bundesweit angespannten Haushaltslage für uns, laufende politische Prozesse nicht dadurch zu überstrapazieren, dass man im Wochentakt unabgestimmt ein Luftschloss nach dem anderen verkündet.

 

Zukunftsfeste, generationsgerechte Haushaltspolitik

Schuldenbremse

Für uns ist klar: Generationengerechtigkeit darauf zu reduzieren, nachfolgenden Generationen keine Schulden zu hinterlassen, greift deutlich zu kurz. Generationensolidarität ist für uns eine Frage der Verteilungs- und Chancengerechtigkeit.

Die Schuldenbremse des Grundgesetzes in ihrer jetzigen Form ist nicht mehr zeitgemäß. Die derzeit starren Regeln sind ein Wohlstandsrisiko für jetzige und kommende Generationen, indem sie nicht genügend Spielräume für starke Zukunftsinvestitionen ermöglichen. Dabei sind vor allem Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes unabdingbar. Zeitgleich muss gewährleistet bleiben, dass unser Sozialstaat nicht unter diesen Investitionsnotwendigkeiten leidet – im Gegenteil: In Zeiten wie diesen braucht es einen starken Staat, der für die Gesellschaft da ist und Sicherheit bietet, Vertrauen schafft sowie sozialen Zusammenhalt fördert.

Das bedeutet für uns insbesondere, dass Investitionen zum Wohle vor allem auch zukünftiger Generationen zu einem erheblichen Anteil sinnvoll über Kredite finanziert werden können. Die Bedienung eben dieser Kredite erstreckt sich über die von den Investitionen profitierenden Generationen. Die Finanzierungslast liegt somit nicht allein auf der heutigen Generation, sondern wird über die Zeit gestreckt und gerecht unter den von den Zukunftsinvestitionen profitierenden Generationen verteilt.

Privatisierungsbremse

Unser sorgfältiger und seriöser Haushaltskurs trägt auch den Erfahrungen der Berliner Landespolitik der vergangenen Jahrzehnte Rechnung. Als Ergebnis des sogenannten Berliner Bankenskandals und des damit einhergehenden Haushaltsrisikos von über 20 Milliarden Euro wurden erhebliche vorschnelle politische Entscheidungen getroffen. Zum Beispiel kam es zu massiven Privatisierungen im Kernbereich der Daseinsvorsorge oder zum Wegfall nahezu der kompletten Wohnungsbauförderung.

Ein zentraler Bestandteil der Politik der SPD-Fraktion, insbesondere des letzten Jahrzehnts, war darauf ausgerichtet, diese Privatisierungsentscheidungen rückgängig zu machen. Für uns gehört die Daseinsvorsorge zum Kernbereich sozialstaatlicher Verantwortung und in öffentliche Hand. Deshalb wurden Wohnungsbestände zurückerlangt, die Wasserbetriebe und die Berliner Stromnetze in die kommunale Verantwortung zurückgeholt. Deshalb unterstützen wir die erfolgreichen und kurz vor dem Abschluss stehenden Verhandlungen zur Rückerlangung unseres Fernwärmenetzes. Und deshalb legen wir großen Wert auf eine seriöse und gründliche Betrachtung etwaiger Konsolidierungsbedarfe in unserem Landeshaushalt.

Wir schlagen eine verfassungsrechtliche Privatisierungsbremse für unsere Unternehmen der Daseinsvorsorge vor, die Berlin vor dem Ausverkauf unseres Tafelsilbers schützt.

 

Gesellschaftlicher Zusammenhalt

Unser System der parlamentarischen Demokratie, auch als Lehre aus unserer Geschichte, hat sich jahrzehntelang als Rahmen für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland und Europa, für Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt bewährt.

Der parlamentarischen Demokratie liegt das Grundprinzip zugrunde, wonach alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Sie ermöglicht, dass sich die Vielfalt der Menschen, ihrer Lebensumstände und Meinungen widerspiegelt und ist tragende Säule des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Den vom Volk gewählten Parlamenten fällt unter anderem die Aufgabe zu, für das gesellschaftliche Zusammenleben Kriterien zu entwickeln und Rahmen zu setzen. Zur Analyse und Vorbereitung von Entscheidungen zu umfangreichen und bedeutsamen Sachverhalten sind die Parlamente durch die Verfassung angehalten, unter Hinzuziehung externer Expertinnen und Experten, eine Enquetekommission einzurichten.

Die demokratischen Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses haben sich auf unseren Vorschlag hin verständigt, eine „Enquete-Kommission für gesellschaftlichen Zusammenhalt, gegen Antisemitismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit und jede Form von Diskriminierung“ einzusetzen. Dieses bedeutsame Verfassungsinstrument hat die Aufgabe, erschreckende Tendenzen zum Antisemitismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit und jeder Form von Diskriminierung in der Gesellschaft auszuleuchten und soll Vorschläge und Instrumente entwickeln, wie wir gemeinsam Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit entgegentreten und wie wir als Gesellschaft beieinanderbleiben, damit Berlin Sehnsuchts- und Zukunftsort für Menschen aus aller Welt und das gute und soziale Zuhause für fast vier Millionen Berlinerinnen und Berliner bleibt.

Wir halten es für erforderlich, nicht bei der Problembenennung stehen zu bleiben, sondern die Lebenswirklichkeit und Lebensverhältnisse der Berlinerinnen und Berliner zu betrachten und Ursachen für Belastungen unseres friedlichen Zusammenlebens zu analysieren und Wege aufzuzeigen, diese Ursachen abzustellen.

Unserer Auffassung nach ist es insbesondere Aufgabe des Parlamentes, in der Enquetekommission die Wertvorstellungen und Kriterien und die erforderlichen Maßnahmen für das gesellschaftliche Zusammenleben in unserem Berlin für die nächsten Jahrzehnte und einen breiten Konsens der Stadtgesellschaft zu beschreiben.

Die Vielfalt der Menschen macht unser Berlin aus, unser lebens- und liebenswertes Berlin, unser charmantes und freches Berlin, unsere Kulturszene und unseren Wirtschaftsstandort, unser gesellschaftliches Zusammenleben.
Wir wissen, dass die Mehrheit der Gesellschaft mit uns gemeinsam Antisemitismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit und jede Form von Diskriminierung ablehnt und gerne in unserem Berlin lebt.
Wir wissen aber auch, dass viele unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wieder in Angst leben, die Namen von ihren Türschildern abschrauben oder ihre Schulen bewachen lassen müssen.
Wir wissen auch, dass eine wachsende Zahl der Berlinerinnen und Berliner mit Migrationsgeschichte in zunehmendem Maße Rassismuserfahrungen durchleben.
Wir wissen, welchen Anfeindungen Menschen islamischen Glaubens oder solche, die nur so gelesen werden, ausgesetzt sind.
Und wir wissen auch von Diskriminierung mit Blick auf die geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung, Geschlecht oder Alter und weiteren Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Bei der Analyse in der Enquetekommission wird es unter anderem wichtig sein, inwiefern die soziale Ungleichheit, die Schere zwischen arm und reich, Gleichheits- und Gerechtigkeitserfahrungen, Respekt und Wertschätzung, Teilhabe und Teilhabechancen, Bildung und Prävention und selbstverständlich die Folgen der multiplen Krisen der zurückliegenden Jahre Einfluss auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt haben.

Und die Enquetekommission muss sich mit den populistischen Tendenzen und den Kommunikationsmechanismen in der Gesellschaft, in den analogen und digitalen Räumen, befassen.

Diese grundsätzliche Betrachtung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist auch wichtig, weil es Verführer gibt.

 

Wehrhafte Demokratie

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erinnern sich und erkennen wieder. Sie mahnen eindringlich.
Sie erkennen die Verharmlosungen, das Herunterspielen und das Relativieren.
Sie erkennen die Verführer.
Sie sehen die erneute Konzeptverschiedenheit bei den demokratischen Parteien und Fraktionen, erinnern sich an die gescheiterten Versuche der politischen Themenverschiebungen und die Vorschläge zur Einbindung und Entzauberung von damals. Sie erkennen die Bereitschaft zur Instrumentalisierung und Pervertierung der Möglichkeiten der Parlamentarischen Demokratie. Sie erkennen die Absicht, die Gewaltenteilung zu zerschlagen, die Gerichte auf eine Linie zu bringen, die Parlamente zu entmachten. Wieder hören sie vorschnelle Festlegungen zu alleinigem politischem Diskurs. Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen haben Angst, vor den Wegbereitern, dass sich eine wehrlose parlamentarische Demokratie durch Ermächtigung selbst abschafft und sich dann das schrecklichste Kapitel deutscher Geschichte wiederholt.

Vor knapp einer Woche haben uns folgend alle demokratischen Fraktionen mit allen Mitgliedern erstmals in der Geschichte des Berliner Abgeordnetenhauses den Plenarsaal für die Dauer einer Propagandarede verlassen und ein vielbeachtetes Zeichen gesetzt. Wehret den Anfängen!
Die SPD-Fraktion als Teil der sozialdemokratischen Familie braucht keine geschichtsvergessenen Belehrungen, wann und wie man im Parlament Haltung zeigt. Viele unserer ehemaligen Mitglieder haben das unter Lebensgefahr getan und sie wussten das vorher.
Wir waren enorm beeindruckter und stolzer Teil der mehr als eine Million Menschen, die wenige Tage danach im tiefsten Winter demonstrierten. Dieser laute und breite gesellschaftliche Widerspruch gegen Demokratiefeindlichkeit, gegen Menschenfeindlichkeit ist eine zentrale Bedingung für den Schutz unserer Demokratie und unserer liberalen Gesellschaft. Wir rufen die demokratische Mehrheit dieses Landes dazu auf, diese zivilgesellschaftliche Wehrhaftigkeit weiter aufrechtzuerhalten. Wehret den Anfängen!

Wir sind der festen Überzeugung, dass es einen gesellschaftlichen Grundkonsens gibt, den Anfängen zu wehren. Und wir halten es für erforderlich, Dinge klar und eindeutig zu benennen:
Jeder Berlinerin und jedem Berliner sollte vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte nun klar sein, was mit „Remigration“ gemeint ist. Das strategische Ziel, Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland in einen „Musterstaat“ in Nordafrika „hin[zu]bewegen“, bedeutet Deportation und Konzentration. In Deutschland leben ca. 20 Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte. Zudem ist bereits jetzt ausgesprochen, „alle, die sich für Geflüchtete einsetzten, könnten auch dorthin“.
Welche Andersdenkenden sind als nächstes dran?
Solche Strategien machen vor keinem Menschen halt und haben das größte Elend der Neuzeit über die Welt gebracht.

Wir treten jeder Verharmlosung und Relativierung entgegen.
Es handelt sich auch nicht um unverfängliche „private Treffen“ einzelner Verirrter.
Es handelt sich um Strategiekonferenzen, an denen Geldgeber, Rechtsradikale, Mitglieder der sogenannten Werteunion und Entscheidungsträger der AfD regelmäßig teilnehmen. Offenbar nahm an einer dieser sogenannten Düsseldorfer Runden auch der AfD-Bundesvorsitzende teil. Es wurde verabredet, in Potsdam den „Geheimrat“ tagen zu lassen. An der Strategiekonferenz in Potsdam nahm zum Beispiel neben anderen Funktionsträgern auch kein unbedeutender „Referent“ für ein Social-Media-Projekt teil, wie es jetzt heruntergespielt werden soll, sondern der „inoffizielle Generalsekretär“ der AfD und als ehemaliger Chefjurist eines Weltkonzerns und Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion die rechte Hand der AfD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag – ein Chefstratege. Auch die Berliner Landes- und Fraktionsvorsitzende der AfD redet sich mit überraschenden privaten Treffen mit Rechtsradikalen heraus.

Wir sind der Auffassung, an einem Punkt zu sein, an dem es nicht mehr ausreicht, wie der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen festzustellen: „Die AfD ist eine gefährliche Nazipartei“. Auch die Einschätzung des Brandenburger Innenministers, „Was sie Remigration nennen, bedeutet Deportation“, kann nicht mehr genügen.
Diese Einschätzungen aus der CDU weisen Diskrepanzen zur vorschnellen Festlegung des Bundesvorsitzenden der CDU auf, ein AfD-Verbotsverfahren nicht zu unterstützen und dagegen zu sein, „die Nazikeule“ zu schwingen. Opposition bedeutet auch Verantwortung.

Unsere Gesellschaft stand bereits an dieser Wegscheide. Erneut ist die wichtigste Frage aufgerufen. Die Mehrheit der Gesellschaft hat mit den Demonstrationen in der gesamten Bundesrepublik über alle Konfessionen und Altersgruppen hinaus eine klare Erwartungshaltung formuliert: Wehret den Anfängen!

Die Konservativen stehen vor der historischen Gelegenheit, Verantwortung dafür zu übernehmen, dass sich Geschichte nicht wiederholt.

Die Haltung der SPD zu Angriffen auf unsere Demokratie war und ist klar: Alle, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen, müssen mit unserem Widerstand rechnen.

Wir stehen hinter der abgestimmten Bundeslinie der SPD, alle rechtlichen Möglichkeiten der wehrhaften Demokratie und des Rechtstaates zu prüfen und einzusetzen, um unsere Demokratie zu verteidigen. Und wir werden deutlich sagen, was ist – heute wie damals. Gesellschaftliches Zusammenleben bedeutet Vielfalt als Stärke zu begreifen, aufeinander zuzugehen, auch im Kompromiss, den Rahmen von allem, unsere wehrhafte parlamentarische Demokratie, zu schützen und zu verteidigen.

Wir sind der festen Überzeugung: So wie die über eine Million Menschen, die die Mehrheit der Gesellschaft repräsentieren, bei ihren bundesweiten Demonstrationen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigt haben, müssen alle demokratischen Parteien bei dieser wichtigsten Frage unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens zusammenstehen.

 

Demokratiefördergesetz

Darüber hinaus begrüßen und unterstützen wir das Vorhaben des Bundes zur Schaffung eines Demokratiefördergesetzes und werden dieses um landesspezifische Regelungen in einem Landesdemokratiefördergesetz ergänzen.

Dieses Gesetz soll der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des zivilgesellschaftlichen Engagements dienen. Wir wollen Maßnahmen zur Erhaltung und Stärkung der Demokratie, zur politischen Bildung, zur Prävention jeglicher Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie zur Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt und Teilhabe regeln.

Dabei geht es unter anderem um die Stärkung demokratischer Werte und Strukturen, der Auseinandersetzung mit Fragen der Rechtsstaatlichkeit und des Verständnisses für politische Sachverhalte. Ferner soll jeglicher Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie der damit verbundenen Diskriminierungen begegnet werden.

 

Politische Teilhabe

Unserer parlamentarischen Demokratie liegt das Grundprinzip zugrunde, wonach alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Wir wissen, dass es in Teilen der Bevölkerung den Eindruck gibt, von der Politik nicht gehört, nicht verstanden zu werden und von gesellschaftlichen Debatten ausgeschlossen zu sein. Wir wissen, dass Teile der Bevölkerung sich nicht ernstgenommen fühlen und mehr Mitsprache wollen, insbesondere bei Entscheidungen, die unmittelbar ihre Lebenswirklichkeit betreffen.

Die parlamentarische Demokratie in Berlin ermöglicht über Volksbegehren und Volksentscheide auch außerhalb von Wahlen auf konkrete Themen Einfluss zu nehmen. Gemessen an der Fülle der Regelungen durch das Parlament stellen Entscheidungen der Bevölkerung eine Ausnahme dar. Dabei haben Gesetze eine herausgehobene Bedeutung. Wir nehmen diese Entscheidungen, die das Volk direkt als Souverän getroffen hat, sehr ernst. Zwar kann das Parlament auch Volksgesetze jederzeit ändern oder aufheben und muss diese Möglichkeit dem Parlament auch vorbehalten bleiben. Es sollte jedoch in der Lage sein zu entscheiden, bei inhaltlichen Änderungen der wesentlichen Regelungen eines Volksgesetzes das entsprechende Änderungsgesetz auch dem Volk zur Entscheidung vorzulegen.

Aus Respekt vor dieser Volksgesetzgebung schlagen wir deshalb eine Regelung vor, wonach das Parlament bei wesentlichen Änderungen eines Volksgesetzes beschließen kann, den Volksgesetzgeber über diese Änderung entscheiden zu lassen. Darüber hinaus schlagen wir eine Regelung vor, dass das Abgeordnetenhaus ferner beschließen kann, einzelne andere, zu bestimmende, zu seiner Zuständigkeit gehörende, Fragen einem Volksentscheid zu unterbreiten.

Wir sind davon überzeugt, auf diese Weise der Politikverdrossenheit begegnen zu können, der Bevölkerung signalisieren zu können, von gesellschaftlichen Debatten nicht ausgeschlossen zu sein, ihr respektvoll gegenüberzutreten sowie mehr Mitsprache und echte Entscheidungen zu ermöglichen. Wir sind zudem davon überzeugt, durch diese Ausweitung der Bürgerbeteiligung das Grundprinzip der parlamentarischen Demokratie zu stärken.
Die Bürgerinnen und Bürger und die Parlamente gehen mit diesen Möglichkeiten der Ausweitung der Bürgerbeteiligung verantwortungsbewusst um. Vergleichbare Regelungen gibt es unter anderem im Kommunalverfassungsrecht.
In Berlin gibt es auf der Ebene der Bezirke eine entsprechende Regelung, in Hamburg und in Bremen im jeweiligen Landesrecht. Mit Ausnahme des Bürgerschaftsreferendums in Hamburg zur Olympiabewerbung gab es bisher keine praktischen Anwendungsfälle.